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Ankündigungsfrist für Freizeitausgleich

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Anmerkungen und Ergänzungen zum Beitrag “Abgeltung von Überstunden”

§ 3 Abs. 1 der Anla­ge 6 AVR sieht kei­ne soge­nann­te Erset­zungs­be­fug­nis zuguns­ten einer Ver­trags­par­tei vor, d.h. für eine zunächst geschul­de­te Leis­tung kann an ihrer Stel­le nicht eine ande­re Leis­tung gefor­dert oder an Erfül­lungs Statt eine ande­re erbracht werden.

Es besteht mit­hin kein „Wahl­recht“, für geleis­te­te Mehr­ar­beit ent­we­der Frei­zeit­aus­gleich oder Ver­gü­tung zu ver­lan­gen. In dem dort vor­ge­ge­be­nen Zeit­raum ist Frei­zeit­aus­gleich zu gewäh­ren, nach Ablauf des Zeit­raums wird Ver­gü­tung geschuldet.

Im Fal­le des Frei­zeit­aus­gleichs muss die­ser wirk­sam durch­ge­führt wer­den. Hier­mit beschäf­tigt sich u.a. das Urteil des BAG vom 17.01.1995, 3 AZR 399/14. Neue­re Recht­spre­chung zu die­sem The­ma ist nicht publiziert.

Dort führt das BAG aus, der Frei­zeit­aus­gleich erfol­ge in zwei Schrit­ten. Zunächst sei von der Erset­zungs­be­fug­nis Gebrauch zu machen. Da eine sol­che aus den o.g. Grün­den unter dem Regime der AVR nicht besteht, ist ledig­lich der zwei­te Schritt zu prüfen.

Ist Frei­zeit­aus­gleich zu gewäh­ren, so ent­steht für den Dienst­ge­ber das Recht und die Pflicht zu bestim­men, wann der Mit­ar­bei­ter zum Aus­gleich für die frü­her geleis­te­ten Mehr­ar­beits­stun­den von der Arbeit frei­ge­stellt wer­den soll.

Die ein­sei­ti­ge Leis­tungs­be­stim­mung darf der Dienst­ge­ber nicht belie­big tref­fen, son­dern sie hat nach bil­li­gem Ermes­sen gem. § 315 Abs. 1 BGB zu erfol­gen. Nach bil­li­gem Ermes­sen ist die ein­sei­ti­ge Leis­tungs­be­stim­mung nur dann erfolgt, wenn die Inter­es­sen bei­der Par­tei­en aus­rei­chend berück­sich­tigt wor­den sind. Der zur Leis­tungs­be­stim­mung Berech­tig­te darf nicht ein­sei­tig nur auf sei­ne Bedürf­nis­se abstel­len; er darf die Belan­ge des Ver­trags­part­ners nicht außer Acht las­sen. Vor allem sind der Zweck der zu gewäh­ren­den Leis­tun­gen und die Fol­gen, die für die Ver­trags­par­tei­en durch die in Betracht kom­men­den Leis­tungs­be­stim­mun­gen vor­aus­sicht­lich ein­tre­ten, ange­mes­sen zu berücksichtigen.

Aus § 315 BGB ergibt sich ins­be­son­de­re, dass der Dienst­ge­ber dem Mit­ar­bei­ter recht­zei­tig mit­tei­len muss, wann er Frei­zeit­aus­gleich erhält. Dem Mit­ar­bei­ter muss es ermög­licht wer­den, sich aus­rei­chend dar­auf ein­stel­len und die zusätz­li­che Frei­zeit sinn­voll nut­zen zu können.

In sei­nem Urteil greift das BAG auf Art. 1 § 4 des sei­ner­zei­ti­gen Beschäf­ti­gungs­för­de­rungs­ge­set­zes (BeschFG) zurück. Die­ses ist seit dem 01.01.2001 durch das Teil­zeit- und Befris­tungs­ge­setz (TzBfG) ersetzt wor­den. Der Wort­laut fin­det sich nun­mehr in § 12 Abs. 2 TzBfG.

Danach ist der Arbeit­neh­mer nur zur Arbeits­leis­tung ver­pflich­tet, wenn der Arbeit­ge­ber die Lage sei­ner Arbeits­zeit jeweils vier Tage im Vor­aus mit­teilt. Die­se Vor­schrift ist zwar nur auf Abruf­ar­beits­ver­hält­nis­se und damit nicht unmit­tel­bar anwend­bar, aller­dings wird sie für Aus­le­gungs­zwe­cke herangezogen.

Dar­aus folgt, dass die Ankün­di­gungs­frist aus­rei­chend bemes­sen ist, wenn sie jeden­falls vier Tage beträgt. Hier­bei han­delt es sich jedoch nicht um eine Min­dest­frist. In dem zu ent­schei­den­den  (Einzel-)Fall hat­te der Arbeit­ge­ber sei­nen Arbeit­neh­mer zwi­schen 15.00 und 17.00 Uhr davon in Kennt­nis gesetzt, dass er am fol­gen­den Tag Frei­zeit­aus­gleich erhält. Hier­zu stell­te das BAG fest, dass dem Arbeit­neh­mer nicht genü­gend Zeit blei­be, sei­ne per­sön­li­che Ter­min­pla­nung dar­auf ein­zu­rich­ten, um die ihm ein­ge­räum­te Frei­zeit ent­spre­chend sei­nen Vor­stel­lun­gen und Inter­es­sen sinn­voll nut­zen zu kön­nen. Eine sol­che ver­spä­te­te Ankün­di­gung des Arbeit­ge­bers ent­wer­te weit­ge­hend den ein­ge­räum­ten Freizeitausgleich.

Für den Zeit­raum zwi­schen 15.00 und 17.00 Uhr des Vor­ta­ges und den vier Tagen im Sin­ne des § 12 Abs. 2 TzBfG sind wei­te­re höchst­rich­ter­li­che Ein­zel­fall­ent­schei­dun­gen nicht publiziert.

Für die Beur­tei­lung der Ange­mes­sen­heit der Ankün­di­gungs­frist ist als Anknüp­fungs­punkt auf die betrieb­li­chen Inter­es­sen abzu­stel­len. Je drin­gen­der die­se sind, kann eine kür­ze­re Ankün­di­gungs­frist gerecht­fer­tigt sein. Eine ein­fa­che Faust­for­mel lässt sich daher nicht entwickeln.

Fest steht jedoch im Hin­blick auf die Dau­er des Frei­zeit­aus­glei­ches, dass er nicht ohne wei­te­res für vol­le Tage gewährt wer­den muss. Er dient nicht Erho­lungs­zwe­cken, son­dern wird zum Aus­gleich dafür gewährt, dass der Arbeit­neh­mer an ande­ren Tagen bereits Arbeits­leis­tun­gen erbracht und bezahlt erhal­ten hat. Da der Frei­zeit­aus­gleich kein Erho­lungs­ur­laub ist, kann er wei­ter­ge­hend auf­ge­teilt wer­den. Dies ändert aber nichts dar­an, dass der Dienst­ge­ber bei der erfor­der­li­chen Inter­es­sen­ab­wä­gung zu prü­fen hat, wel­che Vor­tei­le die Mit­ar­bei­ter bei einer Frei­stel­lung für vol­le Arbeits­ta­ge haben, wel­che Nach­tei­le ihnen bei einer stun­den­wei­sen Frei­stel­lung ent­ste­hen und inwie­weit betrieb­li­che Inter­es­sen durch die ver­schie­de­nen Mög­lich­kei­ten des Frei­zeit­aus­gleichs berührt sind.

Ent­spricht ein vom Dienst­ge­ber fest­ge­leg­ter Frei­zeit­aus­gleich nicht den obi­gen Anfor­de­run­gen, mit­hin nicht dem bil­li­gem Ermes­sen gem. § 15 Abs. 1 BGB, ist er nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB unverbindlich.

Der Frei­zeit­aus­gleich ist sodann nicht wirk­sam durch­ge­führt. Der Dienst­ge­ber befin­det sich im Annah­me­ver­zug, so dass Annah­me­ver­zugs­lohn geschul­det wird.

Die vor­ge­nann­ten Erwä­gun­gen sind auch auf die Ver­pflich­tung zur Arbeits­leis­tung über­trag­bar, das stellt das BAG in sei­nem Urteil fest. Auch eine sol­che ent­spre­chen­de Anord­nung muss den dar­ge­stell­ten Anfor­de­run­gen gerecht werden.

Dr. Thors­ten Engel, LL.M.

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