Ob und in welchem Umfang ein Mitarbeiter einen Anspruch auf Zahlung einer Zulage hat, ergibt sich in erster Linie aus dem zwischen Dienstgeber und Mitarbeiter bestehenden Arbeitsvertrag in Verbindung mit den Bestimmungen der einschlägigen (Vergütungs-)Anlage der AVR. Die Anlage 1 der AVR regelt in Abschnitt V die Kinderzulage, in Abschnitt VII die Wechselschicht- und Schichtzulage, in Abschnitt VIIa die Heim- und Werkstattzulage, in Abschnitt VIII die sonstigen Zulagen, dort wird differenziert zwischen der so genannten Stellenzulage und der Leistungszulage, sowie in Abschnitt VIIIa die besonderen Zulagen, die so genannte „Ballungsraumzulage“.
Bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen besteht jeweils ein arbeitsvertraglicher Anspruch auf Gewährung dieser Zulage.
Darüber hinaus kann sich ein Anspruch auf Zahlung einer Zulage auch aus einer so genannten betrieblichen Übung ergeben. Erhält mithin ein Mitarbeiter eine Zulage, obwohl er ggf. die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen der so genannten betrieblichen Übung vorliegen, d.h., die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Dienstgebers, aus denen der Mitarbeiter schließen kann, ihm solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Dienstgebers, welches von den Mitarbeitern in der Regel stillschweigend gem. § 151 BGB angenommen wird, erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen.
Entscheidend für die Entstehung eines solchen Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Dienstgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände gem. den §§ 133, 157 BGB verstehen musste und ob er auf einen Bindungswillen des Dienstgebers schließen durfte.
Diese von dem Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze der betrieblichen Übung finden auch unter dem Geltungsbereich der AVR Anwendung.
Zu den zu wertenden Umständen gehört u.a. auch die Bezeichnung in der Lohnabrechnung. Diese kann Anknüpfungspunkt für eine betriebliche Übung sein.
Im Falle der Versetzung oder einer Abordnung eines Mitarbeiters könnte sich ein Anspruch auf Weitergewährung einer Zulage ergeben, obwohl die erforderlichen Voraussetzungen auf der neuen Stelle nicht mehr gegeben sind. Anknüpfungspunkt hierfür ist § 9 des Allgemeinen Teils der AVR, dort Absatz 1 Satz 1: Der Mitarbeiter kann im Rahmen seiner vertraglich vorgesehenen Tätigkeit aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen in eine andere Einrichtung desselben Dienstgebers unter Wahrung des Besitzstandes versetzt oder bis zu 6 Monaten abgeordnet werden.
Als Besitzstand kann eine gewährte Zulage jedoch nur dann gelten, wenn die Zahlung der Zulage voraussetzungslos und tätigkeitsunabhängig gezahlt worden wäre. Ist diese jedoch an die in den AVR niedergelegten Voraussetzungen geknüpft, scheidet die Qualifizierung als „Besitzstand“ aus, so dass unter dem Gesichtspunkt „der Wahrung des Besitzstandes“ sich kein Anspruch auf Weitergewährung der Zulage herleiten lässt.
Als weiterer Anknüpfungspunkt für den Anspruch auf Zahlung der Zulage kommt der so genannte arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz in Betracht. Dieser besagt, dass der Dienstgeber bei begünstigenden Maßnahmen gegenüber seinen Mitarbeitern keinen einzelnen Mitarbeiter aus willkürlichen Gründen schlechter behandeln darf, als andere, mit ihm vergleichbare Mitarbeiter. Hiervon zu unterscheiden ist jedoch die erlaubte „Besserstellung“ im Vergleich zu dieser verbotenen „Schlechterstellung“. Die Einordnung ist dabei abhängig von der Mehrzahl der Fälle bzw. ob dem eine allgemeine Regel zugrunde liegt.
Eine Verletzung dieses Gleichbehandlungsgrundsatzes liegt bspw. vor, wenn alle Mitarbeiter einer Abteilung eine vorbehaltlos gewährte Zulage erhalten, jedoch ein einzelner Mitarbeiter nicht. Sodann resultiert ein Anspruch dieses Mitarbeiters auf eben Zahlung dieser Zulage aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
Im Umkehrschluss bedeuten die vorgenannten Ausführungen, dass eine Zulage immer dann entfallen kann, wenn der Mitarbeiter aus vorgenannten Gründen keinen Anspruch auf (Weiter-)Gewährung der Zulage hat.
Dr. Thorsten Engel, LL.M.
Rechtsanwalt | Partner
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Steuerrecht
Veröffentlicht in der Mitarbeiterzeitung MAZ des Prosper-Hospitals Recklinghausen Juni 2016.