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Exerzitien und Arbeitsrecht

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Die Rechts­fol­gen der Teil­nah­me an Exer­zi­ti­en sind in § 10 Abs. 5 der AVR gere­gelt. Dem­nach erhält der Mit­ar­bei­ter, der im Ein­ver­ständ­nis mit dem Dienst­ge­ber an Exer­zi­ti­en teil­nimmt, pro Kalen­der­jahr bis zu drei Arbeits­ta­ge Arbeits­be­frei­ung unter Fort­zah­lung der Dienst­be­zü­ge und der in Monats­be­trä­gen fest­ge­leg­ten Zulagen.

Zu Guns­ten des Arbeit­ge­bers besteht mit­hin ein Ermes­sens- und Ent­schei­dungs­spiel­raum für die Teil­nah­me an Exer­zi­ti­en. Der Mit­ar­bei­ter hat mit­hin grund­sätz­lich kei­nen Anspruch auf bezahl­te Arbeitsbefreiung.

Erklärt sich der Arbeit­ge­ber nicht ein­ver­stan­den, greift die Arbeits­be­frei­ung gemäß § 10 Abs. 5 AVR nicht ein. Der Mit­ar­bei­ter ist jedoch nicht dar­an gehin­dert, für sei­ne Teil­nah­me an Exer­zi­ti­en Urlaub zu beanspruchen.

Die Ent­schei­dung über die Ein­ver­ständ­nis­er­klä­rung hat nach bil­li­gem Ermes­sen im Sin­ne des § 315 Abs. 1 BGB zu erfol­gen. Im Rah­men die­ser Ermes­sens­ent­schei­dung hat der Dienst­ge­ber sei­ner Ver­ant­wor­tung für den kirch­li­chen Cha­rak­ter der Ein­rich­tung gerecht zu wer­den. Die­ser kirch­li­che Cha­rak­ter kann nur erhal­ten wer­den, wenn die Mit­ar­bei­ter die reli­giö­se Dimen­si­on des kirch­li­chen Diens­tes ken­nen und beach­ten. Dar­aus erwächst für den Dienst­ge­ber die Ver­pflich­tung, die Teil­nah­me der Mit­ar­bei­ter an Ver­an­stal­tun­gen zu för­dern, die der reli­giö­sen Besin­nung und Fort­bil­dung die­nen. Durch die Teil­nah­me an der­ar­ti­gen Ver­an­stal­tun­gen wird dem Mit­ar­bei­ter die Ori­en­tie­rung für die von ihm gemäß § 4 Abs. 3 AVR erwar­te­te per­sön­li­che Lebens­füh­rung nach der Glau­bens- und Sit­ten­leh­re der Kir­che vermittelt.

Nur so kann sicher­ge­stellt wer­den, dass die Mit­ar­bei­ter dem Leit­satz I des Leit­bil­des des Pro­sper-Hos­pi­tals gerecht wer­den: „Wir sind ein Ort der christ­li­chen Nächs­ten­lie­be, an dem die christ­li­che Bot­schaft und der christ­li­che Glau­be aktiv prak­ti­ziert wer­den, ohne jedoch dabei einen kon­fes­sio­nel­len Zwang auszuüben.“

Das Ermes­sen des Dienst­ge­bers dürf­te jedoch dann auf Null redu­ziert sein, wenn die von dem Mit­ar­bei­ter beab­sich­tig­ten Exer­zi­ti­en nach den Richt­li­ni­en zur För­de­rung von Exer­zi­ti­en und Besin­nungs­ta­gen des bischöf­li­chen Gene­ral­vi­ka­ri­ats Müns­ter för­de­rungs­wür­dig sind.

Ein wei­te­res Argu­ment für eine Ermes­sens­re­du­zie­rung auf Null fin­det sich in Art. 9 der Grund­ord­nung des kirch­li­chen Diens­tes im Rah­men kirch­li­cher Arbeits­ver­hält­nis­se. Dort ist die Fort- und Wei­ter­bil­dung gere­gelt, auf die die Mit­ar­bei­ter einen Anspruch haben. Nach Art. 9 Satz 2 umfasst die Fort- und Wei­ter­bil­dung die ethi­schen und reli­giö­sen Aspek­te des Diens­tes. Nach Art. 9 Satz 3 müs­sen auch Fra­gen des Glau­bens und der Wert­ori­en­tie­rung sowie der Bewäl­ti­gung der spe­zi­fi­schen Belas­tun­gen der ein­zel­nen Diens­te ange­mes­sen berück­sich­tigt werden.

Eine ange­mes­se­ne Berück­sich­ti­gung liegt jeden­falls dann nicht vor, wenn der Dienst­ge­ber sein Ein­ver­ständ­nis zu kei­nem Exer­zi­ti­um erteilt.

Der Ermes­sens- und Ent­schei­dungs­spiel­raum besteht dem­zu­fol­ge nicht unein­ge­schränkt. Unter den Umstän­den kann dem Mit­ar­bei­ter auf Grund der Ermes­sens­re­du­zie­rung auf Null ein Anspruch auf bezahl­te Arbeits­be­frei­ung zustehen.

Die Arbeits­be­frei­ung unter Fort­zah­lung der Bezü­ge wird für höchs­tens drei Arbeits­ta­ge im Kalen­der­jahr gewährt. Erstre­cken sich die Exer­zi­ti­en ganz oder teil­wei­se auf arbeits­freie Tage, wer­den die­se nicht ange­rech­net. Nimmt der Mit­ar­bei­ter von Frei­tag bis Sonn­tag an Exer­zi­ti­en teil, erhält er für Frei­tag die Dienst­be­frei­ung unter Fort­zah­lung der Bezü­ge. Eine Kür­zung der Bezü­ge für den Sams­tag und Sonn­tag erfolgt nicht, da er auch ohne Dienst­be­frei­ung für den Sams­tag und Sonn­tag vol­le Bezü­ge­zah­lung erhal­ten hät­te. Nimmt ein Mit­ar­bei­ter von Frei­tag bis Diens­tag an Exer­zi­ti­en teil, erhält er für Frei­tag, Mon­tag und Diens­tag, mit­hin für drei Arbeits­ta­ge, Arbeits­be­frei­ung unter Fort­zah­lung der Bezü­ge. Auch hier hat eine Kür­zung für Sams­tag und Sonn­tag aus den vor­ge­nann­ten Grün­den nicht zu erfolgen.

Dr. Thors­ten Engel, LL.M.

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Veröffentlicht in der Mitarbeiterzeitung MAZ des Prosper-Hospitals Recklinghausen im Februar 2010.

 

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