Die Fort- und Weiterbildung ist in § 10 a der AVR geregelt. Unter den dortigen Voraussetzungen ist der Dienstgeber verpflichtet, die Kosten für Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen zu tragen. Eine dieser Voraussetzungen ist, dass die Fort- und Weiterbildungsmaßnahme auf Veranlassung des Dienstgebers durchgeführt worden ist.
Unabhängig von der Kostentragungspflicht stellt sich die Frage, ob für die Mitarbeiter eine Fort- und Weiterbildungspflicht auch ohne Veranlassung des Dienstgebers besteht. Dieses ist dann anzunehmen, wenn es sich hierbei um eine arbeitsvertragliche Nebenleistungspflicht des Mitarbeiters aus dem arbeitsvertraglichen Schuldverhältnis handelt. Zur Konkretisierung einer Nebenleistungspflicht ist zunächst auf die geschuldete Hauptleistungspflicht abzustellen. So ist ein Mitarbeiter verpflichtet, seine Fähigkeiten, zu deren Verwertung der Dienstgeber ihn eingestellt hat, zur Verfügung zu stellen. Hierbei handelt es sich um seine Hauptleistungspflicht. Diese erbringt der Mitarbeiter unter Berücksichtigung seiner individuellen persönlichen Fähigkeiten, d.h. nach seinem beruflichen Ausbildungsstand, seinen geistigen und körperlichen Fähigkeiten. Da das Arbeitsverhältnis ausgerichtet ist auf eine ständig wiederkehrende Erbringung der wechselseitigen Leistungspflichten, also auch der Arbeitspflicht, unterliegt die Erbringung der Arbeitsleistung einer ständigen Veränderung, die bedingt ist durch den allgemeinen technischen und wirtschaftlichen Fortschritt. Diese objektiven Entwicklungen müssen die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Mitarbeiters gerecht werden. Die „versprochenen Dienste“ im Sinne des § 611 Abs. 1 BGB sind daher stets die Arbeitsleistungen, die der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der allgemeinen technischen und wirtschaftlichen Entwicklung erwarten kann. Demzufolge obliegt dem Arbeitnehmer die Verpflichtung, seine Kenntnisse und Fähigkeiten dem technischen und organisatorischen Wandel anzupassen und sich somit fortzubilden. Er ist mithin verpflichtet, seine Fähigkeiten „ajour“ zu halten. Hierzu muss der Mitarbeiter sicherlich auch in seiner Freizeit beispielsweise durch das Studium von Fachliteratur und Fachzeitschriften sowie privat finanzierter Seminare seine Fähigkeiten diesem Stand anzupassen. Das Ausmaß dieser Anpassung und Weiterentwicklung der eigenen beruflichen Fertigkeiten und Kenntnisse hängt von der jeweils individuell geschuldeten vertraglichen Arbeitsleistung ab, was wiederum nach den hergebrachten Berufsbildern und der Branchenüblichkeit präzisiert wird. Ist dem Berufsbild zu entnehmen, dass bestimmte Arbeitstätigkeiten ohne eine ständige Fortbildung nicht vertragsgerecht erbracht werden können, so ist der Arbeitnehmer verpflichtet, sich im Rahmen des Zumutbaren beruflich fortzubilden, um mit der eigenen Leistung der voranschreitenden beruflichen und technischen Entwicklung standzuhalten. Das gilt nicht nur für Führungs- oder Spezialkräfte, bei denen eine Fortbildungsverpflichtung schon aus ihrer betrieblichen Stellung abzuleiten ist, sondern auch für andere vertraglich übertragene Aufgaben.
Erfüllt er diese Nebenleistungspflicht nicht, ist er unter Umständen nicht mehr in der Lage, seine Hauptleistungspflicht zu erfüllen, mit der Folge, dass arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen.
Dr. Thorsten Engel, LL.M.
Rechtsanwalt | Partner
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Steuerrecht
Veröffentlicht in der Mitarbeiterzeitung MAZ des Prosper-Hospitals Recklinghausen 2014/23.